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Ist es ein kniehohes, gedrungenes Männchen mit gelber Gesichtsfarbe, dunklem Umhang und Augen wie glühenden Kohlen? Ein Esel, ein schwarzer Hund oder doch nur ein Kobold, der die Menschen nur narrt und neckt und mit ihnen Schabernack treibt? Theodor Fromme wirft sich einen Umhang über, setzt sich einen Schlapphut mit drei Fasanenfedern auf und nimmt einen Wanderstock in die Hand, den ein Rüthener Esel ziert, wenn er in die Rolle des Rüthener Haarmännchens schlüpft. Dabei kommt das Haarmännchen gar nicht aus Rüthen, sondern aus Drewer. Über Jahrhunderte versetzte die Sage Dreweraner und Menschen aus der Umgebung in Angst und Schrecken. Dass es für vieles aber auch naturwissenschaftliche Erklärungen gibt, weiß Brigitte van Rickelen, die lange an der Grundschule in Drewer unterrichtete. Aber lesen Sie selbst:

In Drewer stand in ganz früheren Zeiten, als die Straße von Altenrüthen über Drewer zur Effelner Haar hin noch ein viel befahrener Kaufmannsweg war, ungefähr dort, wo der Hof Cordes-Menken heute steht, eine Herberge für die Durchreisenden. Der Besitzer dieses Hauses war ein finsterer, gewalttätiger Mann, der seine Gier nach dem Geld und den Waren der bei ihm einkehrenden Kaufleute nicht bezähmen konnte. Darum munkelte man, es verließen viel weniger Kaufleute diese Herberge als sie betreten hätten. Der Wirt habe sie ermordet, beraubt und ihre Leichen hinter dem Haus vergraben. Auf diese verwerfliche Weise wurde der Geizhals bald der reichste Mann weit und breit. Seine aufgehäuften Schätze habe er, so nahm man an, ganz tief im Keller seines Hauses vergraben, und zwar in einem großen, mit schweren Eisenbändern beschlagenen Koffer.

Nach dem plötzlichen Tod dieses Mannes stand es für die Leute fest, ihn habe der Teufel geholt. Man ging zwar sofort an die Nachforschungen nach dem schweren Geldkoffer, aber er war nicht aufzufinden. Als dann die Sucher im Wirtshaus von rätselhaften, unheimlichen Geräuschen und Lichterscheinungen gestört wurden, galt das Haus als verrufen und wurde scheu gemieden. Nach langer Zeit erwarb ein mutiger Mann das verschriene Anwesen für billiges Geld und zog mit seiner Familie dort ein. Aber auch für diese Familie blieb das Haus unheimlich. Schon nach wenigen Jahren mussten die neuen Bewohner einen Unglücksfall nach dem anderen hinnehmen. Sie hatten im Stall Pech übers andere, bis er bis auf ein Pferdegespann leer war. Als bei der Heimkehr von der Feldarbeit auch noch diese beiden Tiere plötzlich tot zu Boden stürzten, musste der Mann sich als Knecht auf Göbelnhof in Drewer verdingen und wusste doch seine Familie kaum zu ernähren.

Eines Tages hatte seine Frau ein erschreckendes Erlebnis:
Weil sie im Keller ihres Hauses Pflanzkartoffeln aussuchen wollte, bat sie einen Nachbarsjungen, der im Hofe sich ein kleines Feuer gemacht hatte, an dem er sich mit Spielereien die Zeit vertrieb, so lange auf ihr Kleinkind aufzupassen. Der Nachbarsjunge war dazu auch bereit. Sie schenkte ihm ein paar Kartoffeln, die er sich an seinem Feuerchen braten sollte. Sie selbst ging an ihre Arbeit im Kartoffelkeller. Die Kellertür ließ sie offen, um von Zeit zu Zeit einen Blick auf ihr Kindchen bei dem Jungen zu werfen.

Plötzlich sah sie den Jungen neben sich stehen und im Nu in der Erde versinken. Zutiefst erschrocken schrie sie: “Junge, was machst du, wo bleibst du denn?” Ihr Schreck ging aber in panische Furcht über, als sie den Nachbarsjungen ganz ruhig bei seinem Feuer durch die offene Kellertür sitzen sah. Der antwortete ganz gelassen: “Was ist denn los? Ich sitze doch hier immer noch und achte auf das Kleine!” Nun wusste sie, sie hatte eine teuflische Erscheinung des alten, längst verstorbenen Geizhalses gehabt.

Am ganzen Körper bebend raffte sie ihr Kind auf und lief, so schnell sie ihre Füße tragen konnten, zum Pastor nach Altenrüthen, dem Pfarrort von Drewer, und erzählte ihr furchterregendes Erlebnis und äußerte ihre Überzeugung, der schon oft gesuchte Geldkoffer liege ganz tief in ihrem Keller vergraben. Der Pastor, der noch nicht lange in der Gegend weilte, beruhigte die Frau erstmal. Dann ließ er sich alles erzählen, was im Volksmund von dem Geizhals und seinem verschwundenen Schatz gesagt wurde.

Auf ihr inständiges Flehen versprach er der erschütterten Frau, die wegen des unheimlichen Erlebnisses noch am ganzen Leib zitterte, er wolle kommen, sich das Haus einmal ansehen, um durch den Exorzismus (kirchliche Teufelsaustreibung) den Geist des Verdammten zu verbannen und dann den Schatz zu heben.

Der Pastor löste sein Versprechen ein und kam mit seinem Buch, mit der Stola, Weihwasser und allem, was er zur Vornahme der Teufelsaustreibung nötig hatte, zum verrufenen Haus nach Drewer. Zunächst erklärte er den beiden Eltern die Bedeutung seines Vorhabens. Erst wolle er den Geist des Geizhalses und Schatzbesitzers aus dem Haus verbannen, dann versuchen, den vergrabenen Schatz zu heben. Da er allein die Truhe nicht zu transportieren vermöge, sollten die beidem ihm helfen. Doch er band den beiden eines fest auf die Seele: Dieses alles müsste in tiefstem Schweigen vor sich gehen, nicht einmal ein schwerer Atemzug dürfte hörbar werden, denn der verstorbene Geizhals habe sicher mit dem Teufel in Verbindung gestanden und könne mit des Bösen Hilfe erscheinen und ihnen allen Schaden antun.

Diese Ankündigung war zu viel für den Mann und die Frau. Sie schrie erschrocken auf: “Herr Pastor, schafft uns nur den bösen Geist aus dem Hause, den Schatz wollen wir weder sehen noch besitzen!”

Darum unterblieb die Hebung des Schatzes. Der Geistliche beschränkte sich darauf, den bösen Geist, die verdammte Seele des mordlustigen Geizhalses, vom Hause in Drewer weg bis zur Haar bei Anröchte, “Haarhiärm”, zu verbannen.

Dort trieb er nun sein Unwesen, narrte und beunruhigte die Reisenden. Nach dem Brauch der Teufelsbanner hatte ihm der Pastor erlaubt, jedes Jahr auf Drewer zu zwei Hahnentritte vorwärts und einen rückwärts zu machen, sodass er jedes Jahr nur einen Hahnentritt näher ans Dorf kommen darf. Darum wird es noch lange, lange Jahrhunderte dauern, bis er sein altes Heim erreicht hat.

Text nach H. Kühle

 

Brigitte van Rickelen schreibt dazu in “250 Jahre St. Hubertus-Kirche Drewer” (1987):

Wenn unsere Großeltern spät abends oder nachts, besonders bei nebligem dunklen Herbstwetter draußen auf der Haar unterwegs waren, so ging mit ihnen oft die unheimliche Furcht vor dem Haarmännchen, das zwischen der “Menzeler Linde” und dem “Haarhiärm”, einem Gasthaus an der B55, sein Unwesen trieb. Ganz besonders spukte es am Menzeler Haarweg herum und am alten “Soltweg” zwischen Effeln und Menzel. Seinen Hauptsitz hatte es in Koers Haarbusch, der aber heute nicht mehr existiert. Er befand sich dort, wo heute Tigges Kreuz steht.

Leute, denen das Haarmännchen begegnet ist, beschreiben es als klein, etwa kniehoch und gedrungen, mit gelblicher Gesichtsfarbe. Ein Schäfer aus Uelde berichtete, wie es ihm nachts begegnet sei, angetan mit dunklem Umhang und einer Kapuze mit hoher Spitze. Seine Augen seien wie glühende Kohlen gewesen. Man hätte es nicht gehen hören können, auch habe es nur so ausgesehen, als ob es auf der Erde ginge, in Wirklichkeit hätte es einen halben Meter über dem Erdboden geschwebt. Dort, wo es ging, rauschten die Büsche und bewegten sich kräftig.

Einige beschreiben das Haarmännchen als Tier

Einige erzählten, dass es ihnen als Esel oder als schwarzer Hund begegnet wäre. Es wäre ihnen auf den Rücken gesprungen, hätte ihnen die Pferde scheu oder den Wagen schwer gemacht und hätte ihr Gespann in Erdlöcher geraten lassen, aus denen sie nur mit Mühe wieder herauskamen. Andere berichteten, es hätte ihnen bei seinem Erscheinen die Sinne verwirrt, sodass sie den Weg verloren hätten und nächtelang auf der Haar umhergeirrt wären.

Woher stammen nun diese Sagen und Spukgeschichten vom Haarmännchen? Wie die meisten Sagen, so hat auch diese ihren Ursprung in historischen Begebenheiten. Beim Weitererzählen über die Jahrhunderte hinweg wurde sie von den Erzählern mit Zutaten ausgeschmückt. Eigene Erlebnisse, unverstandene Naturerscheinungen, Ängste, Vermutungen und nicht zuletzt der Glaube der Menschen wurden in diesen Geschichten mit eingewoben.

Ausgangspunkt der Sage ist in Drewer

Ihren Ausgangspunkt hat sie in Drewer, wo zu der Zeit, als der Haarweg noch eine vielbefahrene Kaufmannsstraße war, ungefähr dort, wo der Hof Cordes-Menken heute steht, eine Herberge stand. Der Gastwirt war ein finsterer und gewalttätiger Mann, der durch die Kaufleute, die bei ihm einkehrten, zu Wohlstand kam und dann eines plötzlichen Todes starb. Sofort wurde gemunkelt, dass er vom Teufel geholt worden sei.

Von seinem angeblichen Reichtum fand man nichts, so sehr man auch suchte. Man nahm an, er habe die Geldstücke im Keller vergraben. Geräusche und Lichterscheinungen (vielleicht verspätete Schatzsucher) versetzten die Leute in Angst, und sie vermuteten, dass es im Hause spukte, das heißt, dass der Geist des bösen Gastwirtes darin umginge und keine Ruhe finde.

Der Glaube stammt von den alten Germanen

Dieser Glaube an arme Seelen, die im Grabe keine Ruhe finden, war damals weit verbreitet. Eigentlich stammte er aus der Zeit der alten Germanen, die daran glaubten, dass alle Toten sich bei ihren Vätern versammelten, bei den Angehörigen ihrer Sippe. Sie aßen und tranken und gingen zur Jagd wie zu Lebzeiten.

Wer aber zu Lebzeiten sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, so dass er aus der Sippe ausgestoßen war, dem war auch nach dem Tode der Eintritt in den heiligen Berg der Sippe nicht erlaubt. Sein Geist irrte auf Erden umher als ein böser Geist, ein Gespenst, gehasst und wieder hassend wie zu Lebzeiten auch.

Man glaubte auch daran, dass die Toten wiederkehren könnten in mancherlei Gestalt. Dieser Glaube hat sich über Jahrhunderte erhalten. Auch die christliche Lehre vertrat diese Anschauung, dass böse Menschen die übliche Christenruhe im Grabe nicht haben könnten oder dürften. Diese armen Seelen irrten umher und waren meistens nicht wohlgesinnt. Durch Gebet und Besprechen konnten die bösen Geister erlöst, gebannt oder ausgetrieben werden (Exorzismus).

Wie tief die Angst war, zeigt erschreckte Frau

In Drewer übernahm das der Pfarrer von Altenrüthen, das Pfarrort von Drewer war. Wie tief die Angst vor dem bösen Geist war, sieht man an der sicherlich nur durch Licht und Schattenwurf erschreckten Frau. Sie verzichtete sogar auf den Schatz. So wurde dann die Seele des bösen Gastwirts auf die Haar bei Anröchte verbannt, und er durfte jedes Jahr nur einen Hahnentritt auf Drewer zugehen.

Nun geisterte der Glaube an diesen bösen Geist also in den Köpfen der Menschen herum, und wenn sie bei Nacht mit Pferd und Wagen unterwegs waren, nicht selten querfeldein, so jagte ihnen das Rascheln eines Tieres in den Büschen oder ein vom Wind getriebenes Packfutterbund Angst und Schrecken ein.

Gesteinsstruktur der Haar spielte Haarmännchen-Streiche

Auch die geologischen Gegebenheiten des Haarkammes spielten ihnen sicherlich manchen Streich. Man muss nämlich wissen, dass hier die Gesteinsstruktur so beschaffen ist, dass es verschiedentlich zu Karst-Erscheinungen kommt. Kohlensaures Wasser versickert in kalkhaltigen Gesteinsschichten und lässt dort durch seine auflösende Wirkung Klüfte und Hohlräume entstehen. Gelegentlich stürzen die Gebirgsdecken ein über solchen Hohlräumen, und ein Erdfall (Doline) entsteht.

Es ist verschiedentlich vorgekommen, dass Menschen und Tiere in solchen Absackungen der Erde versanken, in einem Loch von 3 bis 5 Metern Durchmessern und 2 Metern Tiefe, ohne dass sie ernsthaft zu Schaden kamen. Die Menschen dachten dann, es handele sich um einen Streich des Haarmännchens.

Menschen kamen meist mit dem Schrecken davon

Die Vermutung, dass hier übernatürliche Kräfte am Werk seien, verstärkte sich noch durch weitere Erscheinungen. Das relativ kühle Oberflächenwasser versickerte in die Tiefe und bei kühler Nacht steigt der Dunst des versickerten Wassers über dem Erdfall auf. Nebelschleier ziehen so bei ruhiger Nacht langsam und geballt.

Solche Naturerscheinungen werden oft demoniziert und in das Reich des Zauberhaften oder Überirdischen entrückt. Da die Menschen bei diesen Erlebnissen meist nur mit dem Schrecken davonkamen, wurde aus dem bösen Geist des habgierigen Gastwirtes mit der Zeit ein Kobold, der die Menschen narrte und neckte und mit ihnen allerlei Schabernack trieb.

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