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Es war ein verregneter Apriltag des Jahres 1826. Der Herr Straßenbauinspektor Hintermberg aus Unna und der Herr Wegebaucondukteur Platz vom Wegebaubezirk Erwitte befanden sich mit ihrer Kutsche auf der Straße von Erwitte nach Belecke. Auch die vergangenen Tage hatte es reichlich geregnet. Die Wege waren aufgeweicht. An einigen Stellen hatten sich große Wasserlachen gebildet, knietief und oft 50 Fuß breit und ebenso lang.

Während der Kutscher die Pferde mit der Peitsche und durch lautes Zurufen antrieb und die Insassen heftig durcheinandergerüttelt wurden, sodass sie sich festhalten mussten, meinte der Inspektor Hintermberg zum Wegebaucondukteur: “Gott sei Dank werden die Unbequemlichkeiten bald ein Ende haben, wenn die Cöln-Berliner-Chaussee erst fertig wird. Von Cöln bis Dortmund ist man schon recht gut vorangekommen, allein die Pflastersteine für die Ortsdurchfahrten lassen auf sich warten. Die Unternehmen kommen mit der Lieferung einfach nicht nach.” “Für nächste Woche hat sich der Landmesser Althoff angesagt”, erklärte der Wegebaucondukteur Plate, “wir können dann endlich mit der Vermaßung der Strecke zwischen Soest und Erwitte beginnen.”

Es ging zügig voran, die Pferde hatten Mühe, den Wagen über den äußerst schlechten Weg die Haar hinauf zu ziehen. “Auch die Bauarbeiten an der Cobelenz-Mindener-Chaussee machen gute Fortschritte”, fuhr der Wegebaucondukteur Plate fort, “die Strecke zwischen Meschede herauf zum Stimm-Stamm und hinunter nach Warstein ist bald fertiggestellt, sodass in allernächster Zeit die Kunststraße von Cobelenz bis Warstein von den Fuhrleuten in einem Zuge und auf einer ebenen und trockenen Schicht aus Stein befahren werden kann.”

“Leider sorgen uns die verwendeten Steinmaterialien”, wandte der Inspektor Hintermberg ein, “wie lange werden sie den Eisenreifen der Fuhrwerke und dem Hufschlag der Pferde standhalten, ohne Schaden zu nehmen? Werden nicht in kurzer Zeit erhebliche Reparaturen an den neuen Kunststraßen zu befürchten sein?”

Inzwischen hatten Straßenbauinspektor Hintermberg und Wegebaucondukteur Plate mit ihrer Kutsche die Haarhöhe erreicht und fuhren hinab ins Möhnetal. Wenige Minuten später erreichten sie das Badehaus von Belecke, den verabredeten Treffpunkt, der direkt an der Chaussee lag. Der Herr Regierungs- und Baurat Clemen aus Arnsberg wartete bereits, ebenso der Belecker Schultheiß Dr. Seißenschmidt mit den Deputierten Kruse, Hagemann, Röder und Stüting. Außerdem waren noch anwesend die Unternehmer Franz Köhne-Volland und Ferdinand Dauck aus Drewer.

Nach der höflichen Begrüßung begab man sich dann vom Badehaus aus in westliche Richtung zum Berghang an der Welschenbecker Mühle. Hier nahm man die schon seit längerer Zeit bestehende Steingrube in Augenschein, wo der vorzügliche Hornstein gewonnen wird. Wegebaucondukteur Plate erläuterte den Anwesenden die hohe Qualität dieses Steins, der weder spröde noch weich sei, aber sich zugleich durch eine ungeahnte Zähigkeit auszeichne. Die vorzügliche Qualität dieses Chausseebaumaterials habe sich schon weit herumgesprochen, so dass sich auch der Herr Regierungs- und Baurat von Minden für den Belecker Hornstein interessiere, weil er die Qualität der Steine aus den Bielefelder und Stromberger Steingruben für unzureichend verworfen haben.

“Das Vorkommen dieser vorzüglichen Steine”, so fuhr Wegebaucondukteur Plate fort, “erstreckt sich in gerader Linie zwischen der Mühle am Mühlheimer Weg und der Drewer Heide, etwa 600 Ruthen lang auf dem Kamme des rechten Talrandes der Möhne. Aller Orten, wo der Fels wie Hörner aus dem Erdreich zu Tage gehoben ist, lässt sich die Gewinnung leicht vornehmen. Der Vorrat an Steinen zur Unterhaltung der Chausseen Cöln-Berlin und Cobelenz-Minden ist so groß, dass er für mehrere Jahrhunderte reicht.”

Wegebaucondukteur Plate ereiferte sich geradezu, als er weiter fortfuhr und insbesondere auf den Herrn Regierungs- und Baurat aus Arnsberg einredete: “Unverzüglich muss mit der planmäßigen Gewinnung von Hornstein überall dort begonnen werden, wo der Stein aus dem Erdreich gehoben ist, also zwischen dem Badehause und dem Drewerbache. Den anwesenden Herrn Volland und Dauck aus Drewer, die als sichere Leute bekannt sind und sich aufs Schießen mit Pulver (Sprengen) verstehen, müssen sofort Steingruben angewiesen werden und zur Lieferung von Hornsteinen an die Provinzial-Wegebaubezirke verdingt werden.”

“Säo geut dat oaver nitt”, unterbrach der Belecker Schultheiß Dr. Seißenschmidt die Erläuterungen des Wegebaucondukteurs. In seiner Erregung begann er zunächst in plattdeutscher Mundart dem Ansinnen des Wegebaucondukteurs zu begegnen.

“Zur Unterhaltung und Besserung der städtischen Wege haben wir den Hornstein aus dem Bruch am Badehaus zur Welschenbecker Mühle hin höchst notwendig, er kann uns derhalben nicht genommen werden. Die anderen Hornsteine an der Külwe bis zum Drewerbache liegen in der vorzüglichen städtischen Schafhude. Wenn das Steinebrechen unserer Hude ruiniert, sind etliche Belecker Bürger um ihre Existenz gebracht!”

Die städtischen Deputierten Kruse, Hagemann, Röper und Stüting nickten beifällig angesichts dieser deutlichen Worte ihres Schultheißen.

Doch die Widerrede des Schultheißen konnte es nicht verhindern, dass wenige Monate später schon an 14 Stellen zwischen Badehaus und Drewerbach Hornstein gewonnen wurde. Belecker Steine traten mit Pferdefuhrwerken eine Reise bis nach Bielefeld und Münster an. Schon bald versuchten sich mehrere Bauern aus Drewer als Fuhrunternehmer. Einige hielten sich zu diesem Zweck 10 oder mehr Pferde.

Dieser Erzählung liegen Protokolle und Briefwechsel einer “Königlichen Regierung zu Arnsberg, Abteilung des Innern” zugrunde.

von Helmut Fröhlich
in: “250 Jahre St. Hubertus-Kirche Drewer” (1987)

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