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Etwa um das Jahr 1826 wurden an verschiedenen Stellen zwischen dem Badehaus zu Belecke (es befand sich genau dort, wo heute die Einmündung der B55 in die B516 besteht) und Drewer sogenannte Steingruben eröffnet. Ursache war der planmäßige Ausbau der Straßen unserer Heimat, und zwar der “Cöln-Berliner-Chaussee (der jetzigen B1) und der “Coblenz-Mindener-Chaussee” (der jetzigen B55). Westfalen war nach kurzer Zugehörigkeit zu Hessen 1815 an Preußen gefallen. Die Preußen entwickelten sehr bald wirtschaftliche Aktivitäten in ihrer Neuerwerbung. Basis dafür war der Ausbau der Verkehrswege, insbesondere der Straßen. Man suchte das Baumaterial möglichst ortsnah, links und rechts der geplanten Wege. In Belecke gab es ideale Verhältnisse, hier fand man direkt an der Trasse ein äußerst festes Quarzgestein. Es ragte klippenartig aus dem umgebenden Erdreich hinaus. Die Zähigkeit und Härte des Steins hatten eine Verwitterung im Verlauf der Erdgeschichte verhindert.

Steinbrüche wegen Bau der B1 und B55 eröffnet

Aus der Bauzeit der Bundesstraßen 1 und 55 sind zwei Merkmale bis heute erhalten geblieben, die obeliskartigen Meilensteine, zum Teil auch noch Halb- und Viertelmeilensteine, und die bemerkenswerte Trassenführung.

Als Fluchtpunkte für die Straßenführung wählten die Geometer seinerzeit die Kirchturmspitzen und schufen so in der Ebene recht geradlinig verlaufende Straßen von Ort zu Ort.

Dort, wo sich heute das Kaiser-Heinrich-Bad in Belecke und der abgesoffene westliche Steinbruch Drewer befinden, gab es ursprünglich hohe Felsklippen ähnlich den jetzt noch vorhandenen 12 bis 15 Meter hohen Külbensteinen. Nur durch das persönliche Eingreifen des Oberpräsidenten von Westfalen konnten in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Külbensteine als Naturdenkmal erhalten werden.

Abbau des Quarzgesteins war an freistehenden Klippen besonders einfach

Der Abbau des Quarzgesteins war nämlich dort besonders einfach, wo kein Abraum zur Seite geschafft werden musste. Man baute also zunächst freistehende Klippen ab.

Das Gestein wurde auch schon zu Beginn des planmäßigen Abbaus um 1826 aus der Felswand gesprengt. Zuvor mussten Bohrlöcher mit Bohrmeißel und Hammer von Hand in den Fels getrieben werden. Pferdefuhrwerke transportierten Steine von einer Größe, die ein Arbeiter aufladen konnte, zur Baustelle. Man schichtete dort die Steine zunächst am Straßenrand auf. Das Zerkleinern des Gesteins fand an Ort und Stelle durch die Arbeiter statt. Ihr Arbeitsgerät hieß Knollhammer, ein etwas mehr als faustgroßer beidseitig gleichgeformter Hammer. Die Besonderheit dieses Handwerkzeuges war der federnde, etwa 1,30 Meter lange Stiel aus Schwarzdorn- oder Haselnussholz. Im unteren Drittel war der Stiel verjüngt und federte an dieser Stelle ab. Die Belastung der Handgelenke des Steinschlägers wurde dadurch erträglicher. Das Herstellen von “Knollschlag” geschah sitzenderweise und erforderte nicht den überschweren körperlichen Einsatz des gewöhnlichen Steinbrucharbeiters. Daher war es zumeist den älteren Arbeiten vorbehalten.

“Der Stein wird nicht kaputtgeschlagen, sondern kaputtgeguckt.” So hieß die Weisheit der Steinschläger. Es galt, den Stein so geschickt zu treffen, dass er mühelos zersprang. Form- und Farbbesonderheiten des Steins zeigten dem Steinschläger dabei die “schwachen” Stellen.

Dreweraner Hornstein vor allem bei der Instandhaltung von Kunststraßen eingesetzt

Der “Hornstein” (vielleicht ist der Name Horn gleichbedeutend mit Klippe, Fels) aus den Steinbrüchen bei Drewer fand insbesondere bei der laufenden Instandhaltung der sogenannten Kunststraßen Verwendung. Die “wassergebundene” Straßendecke bestand aus faustgroßen Steinen (Knollschlag), die zusammen mit Splitsorten verschieden großer Körnungen abgedeckt und verdichtet wurden. Die Eisenreifen der Fuhrwerke und die Hufe der Pferde richteten an diesen Straßendecken erhebliche Schäden an, die ständig beseitigt werden mussten.

Zum Ausbessern war das besonders zähe Material aus den Steinbrüchen Drewer sehr gut geeignet.

Der Wegebau war von jeher eine staatliche Aufgabe. So lag auch der Abbau in den Brüchen von Belecke und Drewer in den Händen staatlicher Organe. Die Regierungsbezirke Minden (heute Detmold) und Arnsberg hatten die Hornsteinvorkommen unter sich aufgeteilt. Die Stadt Belecke erstritt sich in den Anfangsjahren unter dem rührigen Bürgermeister Seißenschmidt ihre Abbaurechte zur Deckung des eigenen Steinbedarfs.

Bis in die 1930er Jahre firmierte man unter dem Namen “Westfälische Provinzial Hornsteinbrüche, Hartsteinwerke Belecke”. Natürlich war der Firmenname im Verlauf von mehr als 130 Jahren Steinbruchgeschichte einem häufigen Wandel unterworfen, der Hinweis auf den staatlichen Eigentümer, Provinz Westfalen, fehlte jedoch nie.

Die Arbeiten im Steinbruch wurden in den Anfangsjahren an kleinere Unternehmen “verdungen”, so traten um 1826 ein Franz Köhne-Volland und ein Ferdinand Dauck aus Drewer als Steinbruch- und Fuhrunternehmer auf.

Steinbrüche waren günstig für die Entwicklung des Dorfes

Der Lehrer Eickhoff (1883 bis 1902 in Drewer) schreibt in der Schulchronik dazu: “Günstig für die Entwicklung des Dorfes, das in schweren Zeiten oft ganz daniederlag, war die Gründung der Provinzialsteinbrüche, die einen lebhaften Fuhrwerksverkehr mit der Ebene ins Leben rief, der jedoch nach der Anlage der Eisenbahn Warstein-Lippstadt 1883 ein Ende nahm. Die meisten Fuhrwerke stellten Köhne-Vollands, die zeitweise 20 bis 30 Pferde unterwegs hatten. Aber auch Niggenwärts und andere Bauern betätigten sich als Fuhrunternehmer. Aus dieser Zeit der Gründung des Steinbruchs stammen die Arbeiterhäuser im südwestlichen teil des Dorfes, im sogenannten Unterdorfe.”

Im Jahre 1850 hatten sich einer Abrechnungsliste zufolge nachstehende Arbeitskolonnen im Steinbruch verdrungen:
Nabel und Consorten, Stracke und Consorten, Henneböl und Consorten, Schlüter und Consorten. Weitere Namen, immer mit dem Zusatz “und Consorten”, sind: Rosenthal, Weiß, Schopp, Fritz Fahle, Steltemeier, Kühle, Morgenbrod, Püster, Krewitt, Arens und Sommer.

Für den Abbau waren um diese Zeit im wesentlichen nur wenige Arbeitsgeräte und Hilfsmittel erforderlich: Hämmer (verschiedene Sorten), Bohrmeißel, Sprengstoff, Schaufel, Karren und Wagen für den Transport. Das Zerkleinern des Steinmaterials wurde jetzt auf dem Steinbruchgelände vorgenommen. Die Steinschläger saßen mit ihren Knollhämmern unter Dächern, sogenannten Klopfbuden, und stellten Knollschlag und feinere Splitsorten im Akkord her. Alle messbaren Arbeiten im Steinbruch wurden nach der Leistung bezahlt.

Tageslohn lag hoch über den Löhnen der Gegend

Lehrer Oel schreibt zur Entlohnung im Steinbruch: “Gegen 1880 stand der Tagelohn mit 18 Groschen hoch über den Löhnen der ganzen Umgegend, sodass man den weiten Weg von Rüthen, Uelde, Effeln, Menzel, Altenrüthen, Suttrop und Belecke zur “Külwe” in Kauf nahm. Vor dem 1. Weltkrieg stand der Tagelohn bei 3 Mark. Wer allerdings Steine im Akkord schlug, konnte wohl 4 bis 5 Mark am Tag verdienen.”

Mit dem Bau der Eisenbahn Warstein-Lippstadt – der Steinbruch erhielt ein Anschlussgleis – kam auch die Mechanisierung des Steinabbaus. 1883 wurde eine Dampfkesselanlage installiert, sie hatte einige Jahre vorher beim Bau einer Eisenbahnbrücke in Köln eine Wasserpumpe angetrieben. In Drewer sollte diese Lokomobile, von einer Magdeburger Maschinenfabrik gebaut, Brechermaschinen und Bohrgeräte bewegen. Wegen einer zu langen unterirdischen Dampfleitung war die Energieerzeugung nur gering. Die Anlage wurde später wegen Unwirtschaftlichkeit wieder stillgelegt. Die Ruine des Kesselhauses – es wurde bis zur Stilllegung der Steinbrüche als Schmiede benutzt – befand sich bis in die 1980er Jahre direkt an der Straße Drewer-Belecke.

Nach dem 1. Weltkrieg übernahm eine Deutz-Dieselmaschine den Antrieb der Brecheranlage. Sie versorgte darüberhinaus über Transmissionen noch einen Kompressor und einen Generator. Das Bohren der Sprenglöcher geschah von da an mittels Pressluft. Der elektrische Strom des Generators wurde nicht nur zur Beleuchtung benötigt, er versorgte auch die Motoren der Wasserpumpen zur Grundwasserabsenkung im Steinbruch.

Steinbruchbetrieb nach Inflation 1923/24 verpachtet

Nach den Inflationsjahren 1923/24 trat die Provinz Westfalen nicht mehr als Unternehmer auf. Sie verpachtete den Steinbruchbetrieb zunächst an die Firma Vogel, dann an die Firma Peters und Co. und ab Oktober 1930 an die Firma Köster, Hagen und Warstein. Mit dem Tätigwerden dieser Unternehmer machte das sogenannte Kammersprengverfahren von sich Reden (1927 bis 1939). Dazu wurde ein 10 bis 20 Meter langer Stollen von der Sohle aus in die Felswand getrieben. Der Stollen erhielt an seinem Ende seitlich Arme, etwa 5 bis 7 Meter lang. Die Arbeitskolonne (3 Arbeiter) erhielt für das laufende Meter Stollen 35 Mark, der Stundenlohn betrug zu dieser Zeit etwa 45 bis 50 Pfennig. Im Stollen wurden insgesamt 3.000 Kilogramm (!) Sprengstoff (Nitrozellulose) verteilt und das Stollenmundloch anschließend mit Sandsäcken verschlossen. Die Großsprengungen wurden von einer Spezialfirma durchgeführt.

Hunderte von Schaulustigen beobachteten aus sicherer Entfernung die Sprengungen dieser Art. Für das Verarbeiten der losgesprengten Steinmassen benötigte man 1/2 Jahr und länger. Dazu legten die Arbeiter Geleise für die Rollwagen (Loren) an die Steine heran. Je 2 Arbeiter beluden die Rollwagen in Handarbeit. Größere Steine wurden durch kleinere Sprengungen zerkleinert. Die Arbeiter hatten das Material zu sortieren, nur das glasig-grüne Quarzgestein durfte zum Brecher und zur Siebanlage gelangen. Minderwertiges Gestein musste natürlich ebenfalls weggeräumt und mit Loren auf die Abraumhalde befördert werden.

1935 schafften 2 Arbeiter, etwa 30 Loren von 3/4 Kubikmeter Inhalt pro Tag zu beladen. Sie erhielten pro Lore 38 Pfennig. An der Brechermaschine wurden die Loren gezählt. Der Maschinenführer hatte eigens dazu ein Zählbrett. Jede Kolonne hatte ihre Nummer, die Loren ebenfalls. Für jede Lore steckte der Arbeiter im Zählbrett ein Holzstück ein Loch weiter in die Lochreihe. Das Brechen und Sortieren der Steine nach Korngrößen ging weitgehend maschinell, ebenfalls das Verladen an der Rampe auf Eisenbahnwaggons.

Hubert Rinschede aus Drewer arbeitete von 1936 (nach seiner Schulentlassung) bis zu seiner Pensionierung bei der Firma Köster im Steinbruch. Er erzählt: “Ich begann als Laufjunge und verdiente 10 Pfennig in der Stunde, damals kostete ein Brot 70 Pfennig. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Weihnachtsgeld. Eines Tages kurz vor Weihnachten kam Franz Köster (der Unternehmer), klopfte auf meine Schulter, zog sein Portemonnaie aus der Tasche und gab mir 3 Mark. Ich habe mich riesig gefreut.”

Zahl der Arbeitskräfte war starken Schwankungen unterworfen

Die Zahl der Arbeitskräfte, die auf der “Külwe” ihr Brot verdienten, war starken Schwankungen unterworfen. aus der Zahl der Jahrhundertwende wird von 180 Arbeitern berichtet. 1932 arbeiteten etwa 90, nach dem 2. Weltkrieg bis zur Stilllegung etwa 20 Mann im Drewer Steinbruch. Nach den Kriegen herrschte zum Teil große Arbeitslosigkeit, so zum Beispiel 1872 und nach den beiden Weltkriegen. Von 1925 bis 1931 wurde nur mit großen Unterbrechungen in Drewer gearbeitet. Arbeitslosigkeit wechselte mit Zeiten hoher Konjunktur ab.

Um 1880 reichten die Arbeitskräfte aus den umliegenden Ortschaften nicht aus. Es wurden später sogenannte Corrigenden (Strafgefangene) aus dem Arbeitshaus Benninghausen zu Steinbrucharbeitern herangezogen.Sie waren in Scheidelers Wiese in Notunterkünften untergebracht. Um diese Zeit arbeiteten auch italienische Arbeitskräfte im Steinbruch. Als Straßenbau- und Eisenbahnbaukolonnen waren sie damals in unserer Heimat gefragt. Der Name des Schachtmeisters einer Italienerkolonne ist überliefert. Er hieß Antonio Pauletti, er wohnte mit seiner Familie in Drewer. Sein Sohn besuchte im Jahre 1899 die Volksschule in Drewer. Der nördliche Teil des Provinzial-Steinbruchs war unter dem Namen Italienerbruch bekannt. Hier entnahm man Steine für den Bau der Bahn Belecke-Brilon 1897 bis 1899.

Gefangene arbeiteten unter schlechtesten Bedingungen im Steinbruch

Während des 2. Weltkrieges arbeiteten und wohnten an der “Külwe” russische und polnische Gefangene unter den denkbar schlechtesten Bedingungen. Auch russische Arbeiterinnen sollen im Steinbruch zwangsverpflichtet gewesen sein. Gelegentlich wurde ihnen von den Dorfbewohnern ein Brot zugesteckt.

Die Arbeit im Steinbruch war nicht ungefährlich, es gab immer wieder schwere Unfälle, die nicht selten tödlich endeten. Aber auch eine schleichende Krankheit befiel manchen Arbeiter, die Silikose (Steinstaublunge). Obgleich man um diese tückische Krankheit wusste, schützte man sich nur unzureichend.

Betrieb im Oktober 1960 eingestellt

Im Oktober 1960 stellte die Firma Köster den Betrieb in Drewer ein. Die Gewinnung des Quarzgesteins war wegen des hohen Anteils an Abraum unrentabel geworden. Auch eine Mechanisierung des Abbaus durch Bagger war nicht möglich.

Lehrer Oel schreibt 1971 in einer Ergänzung zu seiner Flurnamenkartei: “Weit mehr als 100 Jahre gab die Külwe vielen Bewohnern der Umgegend Arbeit und Brot und manchem Bauern als Fuhrleuten zusätzlichen Verdienst. Heute ist sie ausgebeutet, der Betrieb geschlossen und das Gelände verkauft.”

von Helmut Fröhlich
in: “250 Jahre St. Hubertus-Kirche Drewer” (1987)

 

Nach der Stilllegung der Brüche bildete sich durch Grundwasser ein schöner, von Steilwänden umrahmter See. Später wurde er “Blaue Lagune” oder “Drewer Loch” genannt. Die Steinbruchwände sind sehr steil, bis zu 20 Meter hoch und kaum bewachsen. Am Grund befindet sich ein klares tiefes Gewässer mit einer Fläche von etwa 8.000 Quadratmetern, das fast die gesamte Sohle des Steinbruchs einnimmt. Das Wasser des Sees ist salzhaltig (2,28 Gramm pro Liter). Bisher ist nicht geklärt, aus welchen Quellen das Salz stammt. Die Quelle am Kaiser-Heinrich-Bad, ebenfalls im Belecker Sattel gelegen, ist ähnlich (Salzgehalt: 5,1 Gramm pro Liter).

Als Naturschutz noch nicht so im Bewusstsein der Gesellschaft verankert war, wurde der See recht rustikal als Natur-Badesee genutzt. Er zog Naturfreunde aus einem weiten Umkreis an. Ab 1975 wurde der Eingang mit einem Holztor verschlossen, das blieb allerdings nur eine kurze Zeit haltbar. 1997 wurde der Steinbruch nach Reinigung und Entrümpelung unter Naturschutz gestellt und mit einem massiven Gittertor verschlossen. Damit sollen Lebensgemeinschaften und Biotope bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben, besonders die felsbrütender Vogelarten, Fledermäuse und Amphibien sowie Pflanzen- und Tiergesellschaften des Halbtrockenrasens.

Am westlichen Steinbruch befindet sich heute eine Aussichtsplattform. Sie ist Teil des Radweg-Netzes “Steine und Mehr”.

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