“Unser Dorf hat Zukunft”: Bewertungskommission besucht Drewer
Anderthalb Stunden Präsentation “sehr, sehr sportlich”
Als 2. von 20 Dörfern, das bei dem Wettbewerb auf Kreisebene mitmacht, musste sich Drewer mit der Vorbereitung Präsentation ganz schön sputen. An sieben Tagen guckt sich die Jury die teilnehmenden Dörfer an – die kleinen mit bis zu 800 Einwohnern haben 90 Minuten Zeit, die größeren Ortschaften jeweils 120 Minuten. “Anderthalb Stunden sind für uns schon sehr, sehr sportlich”, sagte Ortsvorsteher Bernd Cordes grinsend. Schließlich hat das Dorf ordentlich was zu bieten.
Vier Bewertungsbereiche gibt’s im Wettbewerb: Entwicklungskonzept und wirtschaftliche Initiativen (30 Punkte), Bürgerengagement, soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten (30 Punkte), Baugestaltung und Siedlungsentwicklung (15 Punkte) und Grüngestaltung und das Dorf in der Landschaft (25 Punkte). Für jeden Bewertungsbereich gibt es in der Jury Experten, die ihren Bereich genau im Auge haben. Dabei setzt sich die Jury zusammen aus Mitgliedern der Fraktionen im Kreistag, der Landwirtschaftskammer NRW, der Heimatpflege des Kreises Soest, des Kreislandfrauenverbands, der Bezirksregierung Arnsberg und der Kreisverwaltung. Jury-Vorsitzender ist Oliver Pöpsel (stellvertretender Landrat).
In der Grundschule werden jetzt gebrauchte Blaulichter aufgearbeitet
Neues Feuerwehrgerätehaus soll Leuchtturm des Dorfes werden
Im Sprint durchs Dreweraner Dorfleben nahm sich die Feuerwehr aber Zeit: Löschzugführer Carsten Kroll berichtete unter anderem über das interkommunale Ausbildungskonzept mit Warstein, dass auch Feuerwehrkräfte aus Drewer bei einem EM-Spiel in Dortmund mit dem ABC-Zug des Kreises Soest vor Ort sind, und dass im neuen Feuerwehrgerätehaus Homeoffice-Plätze vorgesehen sind für Kameraden, die zu Hause nicht die Möglichkeiten haben (das ist Teil eines Modells, um die Verfügbarkeit von Kameraden auch tagsüber zu gewährleisten). Und: Er präsentierte die neue Einsatzkleidung: sandfarbene Uniformen für Zimmerbrände, die bei über 1.000 Grad noch dicht sind, und rote, leichtere Kleidung für Wald- und Vegetationsbrände.
Löschgruppenführer Georg Fredebeul ist derweil ein Beispiel dafür, wie man durch aktive Beteiligung “prima aufgenommen wird”. Er ist nämlich vor 25 Jahren der Liebe wegen nach Drewer gezogen. Etwa 12 Einsätze hat seine Löschgruppe durchschnittlich im Jahr, sichert aber auch den Martinszug und die Prozession ab und vergnügt bei heißem Wetter auch mal Ferienfreizeiten in der Schützenhalle mit Wasserspielen. 12 Kameraden stellen außerdem die Drohnengruppe, die Matthias Nussbaum vorstellte.
Großes Projekt der Feuerwehr ist in der nächsten Zeit der Bau des Gerätehauses. Löschgruppen-Vize Peter Köhne erklärte, dass es ein Leuchtturm des Dorfes werden soll, mit Dieselaggregat und nachhaltigem Heizsystem. Nebenan entsteht ein Soccerplatz – schließlich soll das Gebäude auf dem Sportplatz gebaut werden.
Aus Schweinemast wird Lagerraum
Vorbei an Obstwiesen und dem Einsatzstellenhygiene-Anhänger der Feuerwehr ging’s durch den ehemaligen Schweinemaststall vom Bauernhof Tigges (Koers), der jetzt Lagerraum für Blaulichtverkauf.de ist, zum Hof von Bernd Cordes. Das Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert hat er gemeinsam mit seiner Frau Irmgard von 1982 bis 1986 aufwendig renoviert. “Mit viel, viel Idealismus” wurde aber ein paar Straßen weiter vor ein paar Jahren auch das älteste Haus des Ortes instandgesetzt, erklärte er. Als modernes Wohnkonzept stellte er das Tiny House in der Jürgenstraße vor. Bauliche Mängel und ein Gerichtsprozess mit dem Haushersteller sorgen dort zwar gerade noch für ein paar Wolken überm Wohnglück des Ehepaares. “In Drewer sind die aber sehr glücklich, muss ich sagen”, so Cordes.
Er erzählte von gelungenem Glasfaserausbau (2014 bis zu Verteilerkästen) und weniger gelungenem (2022 von Eon), von den Schlepperfreunden, die alte Landmaschinen pflegen und erhalten, und Projekten wie dem Tag der sauberen Landschaft. Und an der Kirche ging Nabu-Aktivistin Dr. Margareta Sprissler – Wahl-Dreweranerin und “genauso herzlich aufgenommen” wie Georg Fredebeul – auf die großen Schwalbenkolonien in Drewer ein und wie Nabu, ABU und Hauseigentümer für ihren Schutz sorgen. Und sie ging aufs Fledermaus-Winterquartier im Keller der Kirche ein. Die Schöpfung zu erhalten, sei schließlich Aufgabe der Kirche, sagte Kirchenvorstandsmitglied Markus Löseke.
Gemütlichste Kirche im Umkreis von vielen Kilometern
Markus Löseke erklärte außerdem einiges zur Geschichte der Kirche und den Baumaßnahmen der letzten Jahre. 1737 wurde die Kapelle gebaut, 200 Jahre später das große Kirchenschiff, weil die Gemeinde wuchs – und jetzt ist es andersherum. Die Kirchenmitglieder gehen zurück, das Hubertushaus musste weichen, Gemeinderäume sind jetzt im Kirchenkeller. “Wir schrumpfen uns so ein bisschen gesund.”
Aber: Dafür sei die Kirche innen die gemütlichste im Umkreis von vielen Kilometern, da war er sich sicher. Küsterin Alexandra Löseke erklärte in der Kirche derweil, dass man sich’s auf dem roten Sofa bei der Mutter Gottes besonders gemütlich machen kann – sogar mit Decke – und dass es Erste-Hilfe-Tütchen für laufende Nasen und Frösche im Hals gibt. Bei Taufen können Kinder Glocken an- und ausschalten und sind mehrere da, wird “wild rumgeglockt”. Und ein roter Teppich wird auf Beerdigungen mit Fotos und persönlichen Gegenständen zum Lebensweg der Verstorbenen.
“Richtig schön gemacht”, sagte Jury-Vorsitzender Oliver Pöpsel, als das Grüppchen im Kirchenkeller ankam. Eine Wandheizung sorgt seit dem Umbau 2013/14 dafür, dass auch ältere Leute in den dicken Bruchsteinwänden nicht frieren und wie gut das klappt, zeigten gleich die kfdlerinnen – unter ihnen durchaus auch ältere Damen -, die sich hier einmal im Monat treffen. “Hier wird gestrickt, hier wird gespielt, wird wird gelacht”, sagte Markus Löseke und schob grinsend noch ein “hoffe ich” hinterher. Mehr als eine halbe Million Euro seien in den letzten Jahren in die Kirche geflossen, erklärte er. Und 2.500 Stunden Eigenleistung.
Plakate zeigen, was in anderthalb Stunden anders kaum darstellbar ist
Im Dorfzentrum ging’s um das neue, sicherere Geländer an der Kirche und die fast noch frisch verfugte Kirchenmauer, aber auch um den Born, der 2002 mit ausschlaggebend für Platz 2 beim Dorfwettbewerb war, und den Maibaum, auf dem sich die Vereine und Gruppierungen spiegeln. Dass es auch mal nicht klappt, zeigte hier der Wochenmarkt: Der lief 2018 zwar gut an, dann wurd’s aber weniger und Corona überlebte er nicht. Dafür gibt’s für ältere Leute aber “Kaufen und Klönen” mit dem Leader-Mobil.
In der Schützenhalle selbst zeigte sich die Verzahnung der Vereine: Die Garden des Sportvereins gehören fest zum Karneval und sie turnen und feiern in der Halle des Schützenvereins. Auf jeder Menge Plakaten war abgedruckt, was in anderthalb Stunden anders kaum darstellbar ist: Vereinsleben, Veranstaltungen, die Geschichte des Karnevals, Baumaßnahmen wie der Kinderspielplatz und Fotos von neuen Bänken in der Feldflur, aufgehübschten Wegekreuzen und dem Biotop an der Großen Dumecke zum Beispiel. Und ganz nebenbei turnte der Dreweraner Nachwuchs und spielte Fußball – in der Halle ist schließlich immer was los.
Schützenhalle sucht kreisweit ihresgleichen
Wie sehr sich die Halle seit ihrem Bau 1972 bis 1974 verändert hat, berichtete Geschäftsführer Volker Köhne. Nachdem die letzte Kneipe mit Veranstaltungsraum geschlossen hatte, bauten die Schützen zum Beispiel 1997 einen Gesellschaftsraum mit Toilettenanlage an. Mehrere kleine Umbauarbeiten wie die Neugestaltung der Theke folgten, komplett modernisiert wurde sie aber 2021 und 2022. 4.500 Stunden Eigenleistung haben die Schützen in die Maßnahme, die über Strukturentwicklung ländlicher Räume” gefördert wurde. Ganz aktuell rüstet sich die Halle außerdem für die autarke Nahversorgung im Krisenfall aus – mit neuer Küche, neuem Kühlhaus und Photovoltaikanlage samt Speicher.
Die Halle ist aber nicht nur frisch renoviert mit energieeffizienten Geräten und hübscher Deckenbeleuchtung. Dazu kommt die Ausstattung für Ferienfreizeiten (4 Stück kommen alljährlich) und große Gesellschaften. Geschirr ist zum Beispiel für 200 Personen da. “Im Kreisgebiet sucht die Halle ihresgleichen”, sagte Volker Köhne. “Das ist einfach so und da sind wir auch stolz drauf.”
“Wir haben viel Geld bekommen über Zuschüsse”, erklärte er außerdem. “Das wollen wir auch einfach mal zurückgeben.” 4 Mal im Jahr findet deshalb jetzt ein Blutspende-Termin in Drewer statt, für den der Schützenverein seine Halle kostenlos zur Verfügung stellt.
Weg zur Gänsewirtschaft war lang
Dass der Weg zu einer Ehrenamtskneipe ganz schön lang sein kann, erklärte Bernd Cordes zum Abschluss in der Gänsewirtschaft. Vorstöße gab es immer mal wieder, zum Beispiel schon bei der Dorfwerkstatt XII in Fredeburg im Oktober 2010, richtig los ging’s aber erst 2018. “8 Monate, dann war die Bude fertig”, sagte der Ortsvorsteher grinsend. In der Zeit wurde aus dem alten Feuerwehrübungsraum eine Ehrenamtskneipe, die jeden Freitag geöffnet hat.
Hier hängt auch das geschnitzte Bild des Gänsereliefs, das einst am Hubertushaus hing, mit der Aufschrift “Biu me des Goise wient, säo gott se”, die der Dreweraner Lehrer Josef Oel einst geprägt hat. Übersetzt heißt das: “Wie man die Gänse führt, so gehen sie.” Auf dem Rückweg von einer Schulung in Dortmund kam Josef Oel die Idee für den Spruch und das Relief. “Und wie Sie uns führen, so gehen wir weiter”, sagte Bernd Cordes zum Schluss in Richtung Jury. “Wir wollen nur nicht nach Dortmund, sondern nach Siegen.”
Der erste Eindruck der Jury nach der Präsentation? “Eine unheimlich professionelle Präsentation”, sagte Oliver Pöpsel später. Und: “sehr herausragende Projekte, die da entstanden sind”.
Drewer geht auf jeden Fall nicht leer aus
Die letzten Dörfer besucht die Jury am 3. Juli, am 4. Juli trifft sie sich zur Abschlussbesprechung. Die Sieger des Wettbewerbs werden bei der Abschlussveranstaltung am Donnerstag, 5. September, bekanntgegeben. Die zwei am besten bewerteten Dörfer qualifizieren sich für den Landeswettbewerb.
Ob sich Drewer dafür qualifiziert, steht natürlich noch längst nicht fest. Klar ist aber, dass das Dorf nicht leer ausgeht – das tut nämlich keins: Im Rahmen des Kreiswettbewerbs werden insgesamt 36.000 Euro an Preisgeldern ausgeschüttet. 26.000 Euro davon werden als Platzierungspreise unter allen Teilnehmenden aufgeteilt. Der Rest wird als Sonderpreise vergeben – unter anderem an besonders nachhaltige Projekte, an solche mit besonderem bürgerschaftlichen Engagement sowie für beispielhafte soziale, ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Projekte. Und: Dörfer können auch für eine besonders interessante und engagierte Präsentation und Moderation während des Dorfrundgangs prämiert werden.
13 kleine und 7 große Dörfer nehmen teil
Gegen 12 andere kleine Dörfer muss Drewer sich durchsetzen: Blumroth und Schwefe (Welver), Niederbergstraße (Werl), Meckingsen (Soest), Ostinghausen (Bad Sassendorf), Ellingsen (Möhnesee), Schmerlecke und Weckinghausen (Erwitte), Berge (Anröchte), Bönninghausen und Eringerfeld (Geseke) sowie Hoinkhausen (Rüthen). Als große Dörfer machen mit: Hilbeck (Werl), Overhagen, Esbeck und Rixbeck (Lippstadt), Mönninghausen und Langeneicke (Geseke) sowie Kallenhardt (Rüthen).
Mehr Informationen zum Wettbewerb:
https://www.tourismus-kreis-soest.de/de/entdecken/unser-dorf-hat-zukunft-dorfwettbewerb